Als Angela Merici im Jahr 1535 die „Compagnia di Sant‘ Orsola“, die „Gemeinschaft der heiligen Ursula“ gründet, aus welcher sich in späterer Zeit der Schulorden der Ursulinen entwickelt, ist die Verehrung dieser Heiligen in Europa bereits weit verbreitet. Sie gilt als Schutzpatronin der Eheleute, der Kinder und Jugendlichen, als Patronin der Tuchhändler, Beschützerin in Not- und Kriegszeiten und als Helferin in der Todesstunde.
So mag es für die heilige Angela sehr nahe liegen, diese prominente Gestalt, deren Legende – wenngleich historisch nicht verbürgt – im vierten Jahrhundert nach Christus verortet wird, zur Namensgeberin ihrer neuen Gemeinschaft zu wählen. Aber auffällig ist zugleich, dass sich zwischen Angelas mutiger Neugründung, der Eröffnung eines alternativen, selbstbestimmten Wegs christlichen Lebens für Frauen „mitten in der Welt“, und dem legendenhaften Lebensentwurf der heiligen Ursula gewisse Parallelen herstellen lassen. Denn sicherlich ist es der Gründerin der "Compagnia di Sant‘ Orsola" bewusst, dass der Legende nach die britannische Königstochter Ursula durch die mutige Entscheidung zu einem kreativen "alternativen Weg" an ihrem christlichen Glauben festzuhalten vermag: Durch die aggressive Brautwerbung eines heidnischen Königs wird Ursulas Entschluss, unverheiratet ihren Christusglauben zu leben, auf die Probe gestellt, denn sie weiß, dass eine Ablehnung zugleich die Sicherheit ihres Vaters und die des gesamten Königreichs gefährden würde.
Sie wählt sodann weder die Aufgabe ihres Glaubens noch die Gefährdung eines ganzen Volkes, sondern bittet sich mutig die Erfüllung folgender Bedingungen aus: Der Bräutigam möge sich taufen lassen, man gewähre ihr drei Jahre Bedenkzeit, stelle ihr Schiffe zur Verfügung und erlaube ihr elftausend Gefährtinnen an ihrer Seite. Als der Königssohn tatsächlich auf alles eingeht, begibt sich Ursula mit ihrer Gemeinschaft junger Frauen ( und auch Männer) nach entsprechender Vorbereitung auf die Schiffsreise, welche sie zunächst nach Köln, dann nach Rom führt, wo sich ihnen neben vielen anderen Menschen auch Papst Cyriakus anschließt. Auf der Rückreise ihrer Wallfahrt werden alle, auch Ethereus, der nachgereiste Verlobte Ursulas, in Köln Opfer eines Überfalls der Hunnen und erleiden somit das Martyrium. Ursula selbst wird der Legende nach als Letzte von einem Pfeil des Hunnenführers durchbohrt.Aus diesem Grund finden sich auf den seit dem Mittelalter zahlreich im gesamten europäischen Raum verbreiteten künstlerischen Darstellungen der heiligen Ursula zumeist neben der Krone, die ihre Königswürde anzeigt, auch der Pfeil als Zeichen des Martyriums und der Palmzweig als Hinweis auf ihren Glaubenssieg.